anslicht – Glaubensbildung & Reflexion
Ans Licht: Glaubensbildung auf dem Weg
Deine Fragen, deine Zweifel,
deine Sehnsucht, deine Sicht
auf das Leben, auf die Zukunft,
alles kommt zu Gott, ans Licht.
„Ans Licht“, so heißt der Titel des aktuellen Ökumenischen Kreuzweges der Jugend 2019. Minimalistische Bilder und zeitgemäße Auslegungsformen dienen der Beschäftigung mit einem zeitlosen Basisthema christlichen Glaubens, der Passion Jesu Christi. Einer ursprünglich römisch-katholischen Tradition folgend, ist das gemeinsame Gehen des Kreuzweges und die Beschäftigung mit einzelnen Stationen vielerorts längst eine ökumenische Angelegenheit geworden. Nicht selten bereiten evangelische Jugendgruppen das Ereignis maßgeblich mit vor.
Nachfolgend soll am Beispiel des Materials des Ökumenischen Kreuzwegs der Jugend zur Beschäftigung mit dem Thema „Passion und Ostern“ mit Jugendgruppen angeregt werden.
1. Den Finger in die Wunde legen – Passion von Ostern her begreifen
Hier bin ich in meinem Dunkel,
hier bin ich in meiner Welt,
hier bin ich mit meinem Zweifel,
jede Hoffnung ist zerschellt.
Thomas, ein Jünger Jesu, kann es nicht glauben. Jedenfalls nicht solange, bis er es selber be-greifen und fassen kann, bis er anfassen kann den Auferstandenen. Er legt den Finger in die Wunde, in die Wunden Jesu. Und spricht damit das Unglaubliche aus: Wie kann es sein, dass ein Toter lebt?
Christinnen und Christen lesen die Geschichte der Passion Jesu 2000 Jahre später gewissermaßen „von hinten“, denn sie glauben an die wunderbare Auferstehung von Jesus und seinen Sieg über den Tod. Damit lassen sich auch der grausame und ungerechte Prozess der Verhandlung und Verurteilung zum Tode, der körperlichen und verbalen Gewalt auf dem Weg sowie der Vollzug einer extrem brutalen Hinrichtungsart für uns als „indirekt teilnehmende Beobachter“ besser aushalten. Weil wir Ostern feiern glauben wir gemäß der biblischen Überlieferungen, dass die Geschichte vom Leiden und Sterben des Gottessohnes kein sinnfreies menschliches Scheitern war, sondern ein göttliches Happy End hatte.
Diese wunderbare Geschichte mit all ihrer Dramatik bildet sich Jahr um Jahr wieder im Ökumenischen Kreuzweg der Jugend ab. Ziel dieses religionspädagogisch aufbereiteten Materials ist es, über zielgruppengerechte kultur- und ästhetiksensible Bilder, Texte, Lieder, Sounds und Methodenideen junge Menschen mit auf den Kreuzweg Jesu zu nehmen und die alten Überlieferungen in zeitgemäße Lebenswirklichkeiten zu übertragen.
Herausgegeben und getragen von der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (afj), des Bundesvorstandes des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V. (aej) soll das Material dazu anregen, sich im besten Wortsinn ökumenisch auf den Weg zu machen. An vielen Orten wird dies auch so praktiziert. Oft ist der Ökumenische Kreuzweg der Jugend eines der wenigen Ereignisse im Jahr, an dem junge katholische und evangelische Christinnen und Christen, landes- und freikirchliche Jugendgruppen gemeinsam unterwegs sind. Dies hat auch einen wichtigen symbolischen Wert: Bei aller Unterschiedlichkeit in Traditionen und theologischen Detailfragen ist doch der gemeinsame Blick zur Mitte des christlichen Glaubens verbindend: Zum Kreuz.
Am Ende aber ist das Kreuz leer wie das Grab. Nach der dunklen Nacht, in der die Felsen rissen wie der Vorhang des Tempels (Mt 27,51) dämmert der Schein des Ostermorgens herauf. Der schrecklichen Finsternis folgt das Morgengrauen, bald wird es heller und hell. Bis schließlich ins rechte Licht gesetzt ist das leere Grab, bis ans Licht kommt der auferstandene Christus und den Wanderern nach Emmaus ein Licht aufgeht.
So steht als letzte Station des Kreuzweges „Ans Licht“ die Auferstehung. Das Leiden ist vorbei. Sichtbar wird der Weg, der ins Licht führt. Er ist deutlich zu sehen, Stufe um Stufe.
Im Text heißt es:
Jetzt ist das Dunkel vergangen.
Jetzt bist du frei.
Jetzt bist du erlöst von allem Leiden.
Aus der Finsternis kommst du nun
ans Licht.
2. Das Dunkle ertragen – Sich auf den Kreuz-Weg machen
Hier bin ich in meinem Dunkel,
hier bin ich in meiner Welt,
hier bin ich mit meinem Glauben:
Dass dein Licht den Weg erhellt.
Die Geschichte vom elenden Leiden und der unerwarteten Auferstehung Jesu kommt im Material des aktuellen Kreuzwegs der Jugend im wahrsten Wortsinn ans Licht. Von der Urteilsverkündung bis zur Auferstehung zeigt sich in allen 13 Stationen das Licht als ein zentraler Faktor bei der Betrachtung der Bilder von Ben Willikens. Neben diesem Licht sind Leere und Räume wichtige Merkmale des Schaffens dieses Künstlers. So sticht auch bei dem von ihm geschaffenen Kreuzweg, der seit 2012 „live“ in der Sepultur des Würzburger Domes St. Kilian zum Meditieren einlädt, schnell eine besondere Raumästhetik ins Auge. Kahle Wände und kalte Böden wechseln sich ab mit seltsamen Wellen.
Stärker als in den sehr gegenständlich und mit jugendlicher Ästhetik gestalteten Kreuzwegen „#beimir“ (2018) oder „JesusArt“ (2017) bietet, ja verlangt der Jugendkreuzweg „Ans Licht“ durch die kühle Distanz der Bilder einen weiten Raum für eigene Interpretationen. „Die Räume der Kreuzwegbilder sind die Orte, an denen wir mit unserem Leben Jesus auf seinem Kreuzweg begegnen können und an denen er mit uns unterwegs ist. Die Räume auf den Bildern sind Orte unserer eigenen Seele, Orte unserer Ängste, Sorgen, Nöte, unserer Gebrochenheit, unseres Leidens, unserer Verzweiflung, unserer Leere und unserer Sehnsucht. Davon erzählen die Texte des Kreuzwegs Ans Licht: Du, Jesus, bist den Weg durch die Dunkelheit gegangen, und du, Mensch, der du diese Bilder siehst, kennst deine dunklen Momente. Doch es wird hell, mitten in unserer Dunkelheit. Mehr Räume entstehen, für Gottes Licht und um Gott zu hören. Durch die Gemeinschaft mit Jesus ist der Tod Geschichte. Und bis in jede Dunkelheit unseres Lebens heute dringt dieses Licht hinein.“, so heißt es in der Ankündigung des aktuellen Kreuzwegmaterials auf www.jugendkreuzweg-online.de.
Was zunächst intellektuell hochschwellig erscheint, soll Anregung bieten zu spezifischen Adaptionen für jeweilige Zielgruppen und Nutzungsformate in Kirche und Schule (z.B. Kreuzweggebet, Jugendabend, Gottesdienst, Tagzeitengebet, Religionsunterricht, andere gemeindepädagogische Angebote). Freilich bietet das Material wie gewohnt die Möglichkeit zur komplett vollendeten Gestaltung eines Kreuzweggebets. Neben den Bildern, Texten und Gebeten unterstützen Lieder, wiederkehrende Liedrufe und sphärische Sounds die Verinnerlichung des Geschehens. „Ans Licht“ nimmt dabei auch in den Worten und Noten die zugleich minimalistische und eindringliche Atmosphäre der Bilder auf.
Andererseits kann das Jugendkreuwegmaterial jedoch auch als Steinbruch dienen. Denn die vielfältigen Materialien, Medien und Methoden können beliebig genutzt werden. Das heißt, dass jede Gruppe selbst entscheidet, was zu ihrer Form des Kreuzweggebetes am besten passt. Alles kann, nichts muss genutzt werden. Wichtig ist, dass vor Ort etwas Eigenes entsteht, bei dem sich im junge Menschen möglichst vielfältig beteiligen und einbringen können. So laden die Texte und Gebete zum kreativen Umgang ein. Sie können individuell bearbeitet, verlängert oder gekürzt und an die Situationen, Lebenskontexte und Gebetsanliegen der jeweiligen Gruppe angepasst werden. Auch die Musik eröffnet zwei Optionen, eine Mitsingvariante wie auch die einer soundtrackartigen Untermalung.
Doch nicht nur analog, auch mit digitaler Unterstützung kann der Kreuzweg gebeten werden. Dazu dient die interaktive App „AnsLicht“, die das Gebet in der Gruppe ermöglicht oder auch als persönliche Gebets-App für Zuhause und Unterwegs genutzt werden kann (Android und iOS). Vielleicht bietet dieses Medium nebenbei auch eine gute Gelegenheit, den verantwortlichen Umgang mit mobilen Endgeräten in Gruppensituationen zu thematisieren.
3. Ans Licht kommen – Glaubensbildung auf dem Weg
Hier bin ich in meinem Dunkel,
hier bin ich in meiner Welt,
hier bin ich und ich vertraue
auf die Liebe, die mich hält.
In den Materialien des Ökumenischen Kreuzweges der Jugend wird die biblische Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu Christi in seiner theologischen Tiefe abgebildet. Daraus leidet sich ein radikaler Lebensweltbezug ab:
- Wen, wann und wo verrate, verurteile oder verleugne ich?
- Wann bin ich verurteilt, wann fühle ich mich von allen guten Geistern verlassen?
- Wo kann ich auftanken, wo bin ich zuhause, wo kann ich sein, wie ich wirklich bin?
- Wo bin ich gefragt, mich einzusetzen, mich nicht zu verstecken und Lasten anderer zu tragen?
- Und welche Bedeutung zeigt diese alte, zeitlose Geschichte für mein Leben auf?
Spannend sind für diese Diskussionen auch die Interaktionen und Begegnungen am Wegesrand und die biblischen Überlieferungen um den Kreuzweg herum: Der Bauer, der von der Arbeit kommt, wird aufgehalten und muss mittragen. Liebende Menschen stehen in sicherer Distanz, Frauen weinen. Eine tropft Jesus den Schweiß ab, während die Soldaten den Todgeweihten verspotten, antreiben und körperlich quälen.
und die biblischen Überlieferungen um den Kreuzweg herum: Der Bauer, der von der Arbeit kommt, wird aufgehalten und muss mittragen. Liebende Menschen stehen in sicherer Distanz, Frauen weinen. Eine tropft Jesus den Schweiß ab, während die Soldaten den Todgeweihten verspotten, antreiben und körperlich quälen.
Seine engsten Vertrauen haben sich zunächst aus dem Staub gemacht. Auch im Verhalten der Jünger während des gesamten Passionsprozesses wird beispielhaft das Menschliche der Glaubenden auf der einen Seite und die Fehlerfreundlichkeit Jesu auf der anderen Seite deutlich:
- Zunächst bittet Jesus seine Freunde, mit ihm zu beten und zu wachen. Er tut dies dreimal, und genauso oft schlafen sie wieder ein (Mt 26,36ff). Verzweifelt ruft er ihnen zu: „Könnt ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?“
- Später lesen wir, dass die Jünger ängstlich waren und sich versteckten (Joh 20,19).
- Sie zweifelten, wie zum Beispiel Thomas (Joh 20,24ff).
- Und dann ist da noch die Geschichte der Verleugnung (Mt 26,69ff). Petrus, der eben noch mit kraftvollen Worten ewige Treue geschworen hatte (Mt 26,35), bekräftigt im Angesicht lebensgefährlicher Bedrohung dreimal, dass er mit Jesus nichts zu tun habe. Im normalen Leben kräht nach einer solchen Begebenheit kein Hahn mehr nach einem solchen Mitarbeiter, doch bei Gott gelten andere Gesetze. Denn mit genau diesem Petrus will Jesus sein Reich bauen. Er soll Jesu Mission auf Erden fortführen (Mt 16,17ff).
Trotz allen Versagens hält Jesus an seinen Freunden fest. Diese Fehlerfreundlichkeit Jesu ist auch für Glaubende heute eine wunderbare Botschaft: Jesus setzt Petrus als engsten Mitarbeiter ein, trotz aller Unzulänglichkeiten. Dieser Fakt kann alle Zweifelnden heute ermutigen: Zum fröhlichen Mittun in der Nachfolge Jesu mit persönlichen Schwächen und in dem Wissen, dass auch die Menschen, die am engsten mit Christus lebten, alles andere als „heilig“ waren.
So bietet der Ökumenische Kreuzweg der Jugend eine gute Gelegenheit, sich mit der Passion Jesu zu beschäftigen. Dazu können theologische Auseinandersetzungen im Rahmen des „Theologisierens mit Jugendlichen“ ebenso gehören wie Diskussionen über zeitgemäße Lebensweltbezüge. Die Karwoche mit dem Kreuzweg zu beginnen oder zu beenden, ist zudem für viele Jugendgruppen ein guter Ritus im Jahreskreis. Dass man sich dabei gemeinsam auf den Weg macht, hat auch eine wichtige soziale Funktion: Junge Christen kommen unter einem zentralen geistlichen Thema zusammen und gehen gemeinsam einen Weg.
Übrigens ist es tröstend, dass (siehe oben) selbst die engsten Vertrauten von Jesus, seine Jünger, ihre Zweifel hatten am Auferstandenen. Die, die unmittelbar mit ihm zu tun hatten, konnten es kaum glauben! Umso mehr gilt auch für uns Suchende das Jesuswort, wonach jene selig seien, die nicht sehen und doch glauben. Vielleicht kann durch das aktuelle Kreuzwegmaterial der Glaube mancher junger Menschen neu ans Licht und zum Licht kommen.
Diakon Tobias Petzoldt
Dozent für Jugendbildungsarbeit und Erwachsenenbildung, Ev. Hochschule Moritzburg
„Bonusmaterial“
Jesus lebt
Sie haben ihn getötet.
Sie haben getötet, die ihm folgten.
Sie töten wieder und wider sein Wort.
Doch er ist einfach nicht totzukriegen.
Ostertag
Er ist wahrhaftig auferstanden
Er ist wahrhaftig
Er ist
Er
Das letzte Mahl
JESUS NAHM DAS BROT
Wir haben es satt.
JESUS DANKTE
Nichts zu danken, selbstverständlich.
JESUS BRACH DAS BROT
Brich dir keinen ab.
JESUS TEILTE AUS
Wir teilen auch oft aus.
So treffen sich Verräter und Verleugner,
Zweifelnde und Verzweifelte zum letzten Mahl.
Und der wahre Mensch und wahre Gott
ist mitten unter ihnen.
Passion
Und plötzlich
ist Jesus nicht mehr da,
ist der Altar leer wie das Herz,
ist die Kerze aus wie die Hoffnung,
ist da nur eine tiefe, traurige Leere
bis das Grab leer ist.
Tobias Petzoldt
Nach Ostern
Immer wieder wächst Gras
Über das Grab das leer war
Immer wieder muss ausgerissen werden
Das Gras das über das Grab wächst
Ostermorgen
In des Morgens Grauen
Feuchtes Gras, zarte Blüten, junge Knospen
Und Frühaufsteher, die glauben
Er sei der Gärtner
nach Johannes 20,15
Auferstehung
Die ersten Vögel des neuen Tages
Die letzten Berauschten der alten Nacht
Und Aufgestandene, die eine Kerze entzünden
Dem Auferstandenen in Erwartung
Der Osterglocken
Aus:
Tobias Petzoldt: Der Rede Wert. Göppingen: Manuela-Kinzel-Verlag, 2012
Passion
Und er nahm den Kelch
Und im Kelch war sein Blut
Und der Kelch ging nicht vorüber
Und er bat um Wachheit
Und er bat um Wachheit
Und er bat um Wachheit
Und ihre Augen waren voll Schlaf
Und es kam die Stunde
Und es kamen Soldaten
Und es kam ein Freund
Und es fiel ein Kuss
Und sie legten Hand an
Und sie übten Treue
Und sie hatten Waffen
Und dann verließen sie ihn
Und man führte ihn mit
Und man führte ihn vor
Und man führte ihn vor Gericht
Und er sagte: Ich bin’s
Und es krähte ein Hahn
Und es weinte ein Mann
Und es ging auch um Geld
Und einer hängte sich auf
Und sie stellten die Fragen
Und sie verurteilten scharf
Und sie verschärften das Urteil
Und er sagte nichts
Und da war ein Verbrecher
Und da war ein Freispruch
Und da war ein Geschrei
Und es war ein Spott
Und man wusch sich in Unschuld
Und man ist’s nicht gewesen
Und man malte ein Schild
Und machte ein Los
Und es waren drei Kreuze
Und es war dreifach Sterben
Und es war eine Bitte
Und er sagte: Noch heut`
Und dann trank er Essig
Und dann wurde es finster
Und dann schrie er verlassen
Und er war tot
Und es riss der Vorhang
Und es rissen die Felsen
Und es barsten die Grüfte
Und einer sprach: Wahrlich
Und sie sahen von Ferne
Und sie schmückten ein Grab
Und sie hielten die Wache
Und die Nacht brach herein
Und es war früh am Morgen
Und es waren Frauen
Und es war ein Stein
Und sie staunten sehr
Und waren wie er
Ganz aus dem Häuschen
nach Matthäus 26,36 – 28,8
Frauen zuerst
Vom Kommen
des Gottessohnes
hörten zuerst
Maria und Elisabeth,
seine Auferstehung
erfuhren vorab
drei Frauen am Grab.
Nun schrieb später einer,
dass schweigen solle
das Weib.
Doch wie sollten wir dann wissen
die gute Hoffnung
vom Leben?
nach Lukas 1; Markus 16,1; 1. Korinther 14,34
aus: Tobias Petzoldt: Ein für alle Mal. Heiter bis kritisch durch das Kirchenjahr. Düsseldorf: tvd, 2012
Quelle: Tobias Petzoldt, Beitrag für „das Baugerüst“, Zeitschrift der Evangelischen Jugend in Deutschland, 1/19